Freitag, 11. Dezember 2015

Wir tanzen zusammen den...

... Babyblues

Es war herrliches Wetter, die Sonne strahlte um die Wette mit mir, mein Zimmer im Krankenhaus war prima, ich hatte es freundlicher Weise allein für mich und ich hatte einen Balkon.

Aber an unserem ersten gemeinsamen Morgen hatte ich dafür keine Zeit, ich wachte auf und sah das hübsche Mädchen, das mich von einem Foto anstrahlte. In Windeseile, sofern man von Windeseile bei einer frisch entbundenen Frau sprechen kann... zog ich mich an und machte mich hübsch, so hübsch es eben ging.

Ich machte mich auf den Weg, das erste mal stand ich alleine vor dieser Türe, auf der geschrieben stand: Bitte Klingeln, die Türe wird geöffnet sobald wir Zeit haben, die Pflege und Notfälle machen es uns nicht immer möglich, sofort die Türe zu öffnen.
Ich klingelte, tippelte und wartete. Die Türe wurde geöffnet, wenn es auch nur einen Moment zu lange dauerte, machte ich mir Gedanken ob wohl etwas mit dem Sonnenkäfer nicht stimmte. Hände waschen, desinfizieren, einen reinen Kittel, im wunderschönen krankenhausgrün oder war es gelb?, anziehen und dann leise zum Sonnenkäfer.

Das Sonnenkäferchen am 2. Juni

Ich sah sie und es war kein Sonnenkäfer, nein es war eher ein minikleines Käferchen. Kabel und Schläuche waren an ihr befestigt und in mir stiegen Tränen der reinen Ehrfurcht auf. Da lag sie, so zerbrechlich und rein.

Ich durfte sie morgens um halbsieben nicht auf den Arm nehmen, die Schwestern und Ärzte waren mit ihrer Morgenroutine beschäftigt, was für rational denkende Menschen klar ist. Ich war in diesem Moment aber nicht rational, sondern emotional und es zerriß mir beinahe das Herz. Ich durfte sie streicheln und ich kam damit klar, das eben im Moment nur streicheln möglich war. 

Ich ging zurück in mein Zimmer weil der Sonnenkäfer seine Ruhe brauchte. 

Da kam die leitende Kinderärztin zu mir und wir sprachen über das Sonnenkäferchen. Sie versprach mir das ich sie am Nachmittag auf den Arm nehmen durfte. Tränen liefen, Freude machte sich breit. Alles war in mir durcheinander....

Die ersten wagen Anzeichen der Trisomie 21 wurden festgestellt, aber das tat meiner Liebe keinen Abbruch. Kurz, ganz kurz hatten wir gehofft... wenn es keinen Herzfehler gibt, vielleicht war ja dann Trisomie 21 auch eine Fehldiagnose...

Ich bin ehrlich, als ich mit meinen Kindern schwanger geworden bin, habe ich immer gehofft das Alles "gut gehen" würde. Der Spruch Hauptsache es ist gesund, bekam eine neue Tragweite und ich habe nicht "Hier!" gerufen, als es darum ging, freiwillig ein Kind mit Behinderung zu nehmen. Aber nun war es so. 

Am Nachmittag durfte ich das Fräulein Sonnenkäfer nun endlich auf den Arm nehmen, da war es vollkommen um mich geschehen. Sie hat mich angeschaut und ich habe ein Engelslächeln von ihr geschenkt bekommen. Sie hat so gut gerochen nach frisch geboren und alles an ihr war richtig, so wie es die Schöpfung haben wollte. Von diesem Moment an schlug das Herz vom Sonnenkäfer regelmäßig und es gab weniger Komplikationen in ihrem Herz-Kreislauf-System. Ich glaube da hat sich der Sonnenkäfer auch ein bisserl in mich verliebt.

Nun hieß es, alle alten Wünsche und Träume über Bord zu werfen, um neue Wege gehen zu können. Ich ließ mich voll und ganz auf das neue Tempo ein. Ich war offen für alles und spürte die Hand in meiner Hand, die meine Hilfe auf dem gemeinsamen Weg brauchen würde.

Mit viel Geduld und der liebevollen Betreuung durch die Schwestern und Ärzte haben wir es geschafft, dass das Sonnenkäferchen gestillt werden konnte und nach einigen Tagen mussten wir auch keine Windeln mehr wiegen. 

13 Tage waren wir im Krankenhaus. Der Sonnenkäferpapa und die Sonnenkäfermama, konnten Dank der Sternstunden, in einem Appartement auf dem Klinikgelände bleiben. So konnte das Sonnenkäferchen rund um die Uhr von uns auf der Intensivstation betreut werden. Vielen Dank für diese tolle Unterstützung!

Diese Zeit war nicht leicht, das Hoffen und Bangen ob der Monitor in der Nacht ruhig geblieben ist, das Warten, wann wir endlich nach Hause dürfen. 

Viele Menschen haben mir in dieser Zeit durch liebevolle Nachrichten geholfen, so konnte ich immer wieder neuen Mut fassen. Ich danke meine lieben Tanzpartnern beim Babyblues für die gute Führung, nur durch Euch war meine gute Haltung möglich.

Heute nach sechs Monaten sehe ich das alles aus einem anderen Blickwinkel, das Fräulein Sonnenkäfer ist zwar mit 47 Chromosomen ausgestattet, aber wir haben so viel Glück gehabt, sie hat keine Probleme mit ihren Organen, ihre Augen und Ohren sind gut, sie ist definitiv gesund und in ihrer Entwicklung hält sie im Moment mit allen anderen Kindern in ihrem Alter mit.


Das Fräulein Sonnenkäfer heute

Und dann stimmt er eben doch wieder, dieser alte Spruch: Hauptsache es is g'sund!

Danke an meine lieben Begleiter, doch mein liebster Dank gilt meinen großen Töchtern, die es aushalten mussten mich zwei Wochen nicht zu sehen, nur mit mir zu sprechen, wann es mir möglich war. Aber ich glaube das schlimmste war für die beiden, dass sie die so lang ersehnte Schwester nicht gleich sehen durften. 


Die 3 Schwestern
Foto: Jenny Klestil im Rahmen von "Glück kennt keine Behinderung" 

Ich liebe Euch, alle 3.

3 Kommentare:

  1. Das ist einfach nur schön. Danke daß Du es mit uns teilst.

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  2. Danke, ich schreibe das gerne, es tut mir gut und ich hoffe das es Menschen helfen kann, die in einer ähnlichen Situation stecken. Manchmal ist es gut wenn man liest das es andere mit ähnlichen Problemen gibt.

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